Hafenstraße: Von Bambule zu Elblick Deluxe

Shownotes

Stell dir vor, du gehst die Hafenstraße entlang. Links die bunt bemalten Altbauten, rechts der Blick auf Hafenkräne, Elbe und Containerschiffe. Kaum zu glauben, dass dieser Ort in den 80er Jahren fast täglich in den Schlagzeilen war – als Synonym für Widerstand, Hausbesetzungen und den Kampf um die Stadt.

🏚 Die Anfänge – 1970er und frühe 1980er

Die Häuser an der Hafenstraße stammen aus dem späten 19. Jahrhundert, gebaut für Hafenarbeiterfamilien. Doch in den 1970er Jahren verfielen sie immer mehr. Viele Wohnungen standen leer, weil die Stadt – vertreten durch die städtische Wohnungsgesellschaft SAGA – Abriss und Neubau plante.

Im November 1981 kam es zur ersten Besetzung: Junge Leute, viele aus der linken Szene, einige Student:innen, Künstler:innen und Migrant:innen zogen in die leerstehenden Wohnungen. Unterstützt wurden sie von Aktivist:innen aus der Hamburger Alternativbewegung, die schon Erfahrung aus Projekten wie der Kommune in der Ekhofstraße hatten.

👉 Fun Fact: Von Anfang an mischten auch prominente Unterstützer:innen mit. Der Pastor Christoph Stückelberger von der St.-Pauli-Kirche setzte sich für die Besetzer:innen ein, und selbst bekannte Künstler wie der Schriftsteller Hubert Fichte oder die Sängerin Fasia Jansen zeigten Solidarität.

Die lokale Presse war gespalten: Die taz Hamburg berichtete wohlwollend und kritisch gegenüber der Stadtpolitik, während das Hamburger Abendblatt von „Chaoten“ schrieb, die wertvollen Baugrund blockierten.

⚡ Die Konflikte – Mitte der 1980er

Mit dem Erstarken der autonomen Szene spitzte sich die Lage zu. Vor allem 1986 kam es zur Eskalation: Der damalige Erste Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) und Innensenator Rolf Lange drohten mit einer endgültigen Räumung. Die Polizei rückte an – mit Wasserwerfern, Räumpanzern und Hundertschaften.

Die Bilder gingen bundesweit durch die Presse: Spiegel TV, Süddeutsche Zeitung, selbst die New York Times berichteten über die Auseinandersetzungen. In Hamburg sprach man von einem „Bürgerkrieg am Hafen“.

Die Bewohner:innen reagierten mit Kreativität und Widerstand:

Auf den Dächern errichteten sie hölzerne Türme, aus denen sie die Polizei beobachteten.

Es gab Barrikaden auf der Straße, ganze Häuserfronten waren verrammelt.

Legendär: Transparente mit Sprüchen wie „Hafenstraße bleibt!“ oder „Wir wohnen, wo ihr Urlaub macht“.

👉 Fun Fact: Zeitweise patrouillierten die Besetzer:innen selbst mit „Wachdiensten“ durch die Straße, fast wie eine eigene kleine Republik. Kein Wunder, dass eines der Häuser den Namen Republik-Haus bekam.

Besondere Brisanz hatte die Nähe zum Hamburger Hafen: Wenn Touristen oder ausländische Journalist:innen vom Kreuzfahrtterminal oder den Landungsbrücken auf die Hafenstraße blickten, sahen sie keine Idylle, sondern eine Art Mini-Bürgerkriegszone mitten in Westeuropa.

✊ Der Durchbruch – 1987 Vertrag & 1995 Kauf

Nach jahrelangem Belagerungszustand kam es im November 1987 überraschend zum „Hafenstraßen-Vertrag“. Bürgermeister von Dohnanyi lenkte ein, auch unter dem Druck von Medien, Kirche und prominenten Unterstützern wie Pastor Rainer Ebeling.

Die Besetzer:innen durften bleiben, die Häuser wurden zunächst legalisiert. 1995 schließlich übernahmen Genossenschaften die Gebäude für symbolische 2,5 Millionen D-Mark. Das war die Geburtsstunde der heutigen selbstverwalteten Struktur.

🏠 Die Häuser und ihre Namen

Die Hausnamen spiegeln Politik, Ironie und Selbstverständnis wider:

Afrika-Haus – Zentrum für Partys, Konzerte, internationale Gäste.

Arizona-Haus – ironischer „Western“-Name.

Bambule-Haus – später Namensgeber des berühmten Wagenplatzes.

Eisenbahn-Haus – Treffpunkt für Punk- und Reiseszene.

Jungle-Haus – Synonym für das kreative Chaos.

Kambodscha-Haus – Anspielung auf die „Bürgerkriegsstimmung“.

Nicaragua-Haus – politisch, Solidarität mit den Sandinist:innen.

Republik-Haus – Herz der Bewegung, Sitzungen und Plena.

Roter Hahn – Symbol für Feuer, Aufruhr, Arbeiterkämpfe.

Zora-Haus – nach der feministischen Zeitschrift, für Frauenprojekte.

🎭 Kultur & Subkultur

Neben den Konflikten war die Hafenstraße auch kulturelles Biotop: Hier probten Bands, wurden Plakate gedruckt, Kunstaktionen gestartet. Sie war eng verbunden mit der Roten Flora, die bis heute als Kultur- und Politikzentrum dient.

🏙 Heute

Heute wirken die Häuser fast friedlich. Sie gehören Genossenschaften, sind saniert, aber bewusst nicht hochpreisig vermietet. Viele Bewohner:innen von damals oder ihre Nachfolger:innen leben noch hier. Ironie der Geschichte: Die Besetzer:innen von einst haben nun eine der besten Lagen Hamburgs – mit Elbblick deluxe.

👉 Fun Fact: Wo früher Wasserwerfer standen, machen heute Kreuzfahrt-Touristen Selfies mit den bunt bemalten Fassaden im Hintergrund.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.